Now that you’re gone, alte Waschmaschine

 

Das Hängen an den Dingen, das in diesem Fall mich überraschende Hängen an einem großen Ding, die Beziehung zu einer Waschmaschine, die mir unbewusste Beziehung zu meiner alten Waschmaschine, die an einem irgendwie üblen Tag, der mich wie alle damaligen Tage in Halle fast hätte verrückt werden lassen, gekaufte Waschmaschine: die billigste, die kleinste, die durch die schranktürbreite Tür ins Bad passte, die jahrelang alles wusch (Singlewäsche, dann Paarwäsche, dann Familienwäsche) und von einem der zwei Monteure, die sie brauchte, gelobt wurde, was mich auf seltsame Art stolz machte (sie sei erstaunlich gut in Schuss für ihr Alter), wusch plötzlich nicht mehr. Weil ich noch etwas Erspartes hatte, fuhr ich an einem der letzen Freitage fast freudvoll in die Innenstadt und bestellte eine neue Waschmaschine: eine größere, eine familiengerechte, eine modernere etc. Die neue konnte, weil beim Hersteller die Logistiksoftware zusammengebrochen war, etliche Tage nicht geliefert werden, so dass die Wäscheberge im Badezimmer wuchsen und ich die Wäsche in der Badewanne wusch, die wichtigsten Teile zumindest. Ich schaltete die alte Waschmaschine dann doch noch einmal an, sprach ihr zu und ging aus dem Raum, damit sie in der Ruhe des dunklen Badezimmers sich aufraffen, sich entscheiden könnte zu waschen und über die Kränkung durch meine schnelle Bestellung hinwegzusehen, diese wegzuwaschen oder was auch immer. Aber es geschah nichts, sie wusch nicht. Der kleine Sohn umarmte die Waschmaschine, weinte und sagte, sie solle nicht abgeholt werden. Er malte einen Brief, darin sein Name, zwei Tränen, eine tränengroße Waschmaschine oder zwei waschmaschinengroße Tränen. Ich schrieb dazu und weinte dann auch, weil er weinte: Liebe Waschmaschine, vielen Dank, dass Du immer so gut für uns gewaschen hast.
Später stand die neue Waschmaschine im Bad, ich jubilierte und begann den Wäscheberg wegzuwaschen. Der kleine Sohn sagte, die ist viel zu modern. Ich jubilierte immer noch, aber ich dachte auch: ich habe vergessen zu versuchen, die alte Waschmaschine auseinanderzuschrauben und nachzusehen, ob nicht doch nur irgendein Teil irgendwo feststeckte, irgendwas, was leicht hätte behoben werden können. Ich habe mich ganz pragmatisch und kauflustig gegen sie entschieden und bin bei aller Freude über die neue Waschmaschine traurig und empört über meinen Pragmatismus und denke an Walter Benjamins Sätze: „Was wäre, wenn die Dinge sprechen könnten? Was würden sie uns sagen? Oder sprechen sie schon und wir hören sie bloß nicht? Und wer wird sie übersetzen?“  Und ich denke an Thomas Lindenberg, der in einem Vortrag zum Readymade als Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit sagte, er habe sein Handy vor vier Jahren gekauft und seitdem nicht aufgehört, darüber nachzudenken.
Jedes Ding ist die Welt.

 

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