Der Magier/jedem seine Kämpfe

 

 

 

 

 

 

 

Vor dem Kaufhof bilden Menschen ein Halbrund um einen Magier. Dieser schwebt in der Luft und hat die rechte Hand auf einem Wanderstock abgelegt. Er trägt weite Gewänder, ein Kopftuch, er blickt entspannt herum. Er schwebt einen halben Meter über dem Boden. Auf dem Boden liegt ein Teppich, der sein Revier bezeichnen könnte.

Vermutlich schwebt er nicht tatsächlich, aber was weiß man schon, und was will man wissen. Es wäre vielleicht gut, schweben zu können oder so sitzen zu können, eben ohne aufwändige Unterlage unter sich, ich hätte dann mein Bürostuhlproblem geklärt, das ich an manchen Tagen zu haben glaube.

Diese Szene ist ganz am Rand, ich gehe vorbei, denke ein wenig und frage mich nichts, weil es einerlei ist, weil es eine hübsche Idee ist, verkleidet vor dem Kaufhaus zu sitzen oder schweben, also vor dem Kaufhaus so zu tun als ob.

Von rechts tritt dem Schwebenden ein Mann hinzu und erklärt energisch den um ihn Stehenden: Na, da ist eine Stahlstange – er weist vom Wanderstock des Schwebenden Richtung Po des Schwebenden -, und da ist noch eine Stahlstange – er weist unter den Po des Schwebenden. Er beugt sich so dicht er kann an den Schwebenden heran. Der Schwebende dreht ihm langsam den Kopf zu. Der Erklärende betritt den Teppich nicht. Er will unbedingt alle von den Stahlstangen überzeugen, seine Interpretation soll hier gelten, und wenngleich vielleicht einzig das Kleinkind, das da am anderen Rand des Teppichs mit seiner Mutter steht und von dieser im Stehen gestützt wird, tatsächlich und folgenlos glauben könnte, dass der Schwebende schwebt, redet sich der Erklärende in Rage. Er will einen Betrug aufdecken, er meint, einen Scharlatan aufgetan zu haben. Er müht sich ab. Es ist ein bedauerlicher Anblick, es wirkt, als plane der Erklärende eine Anzeige gegen das Leben.

„Als letzter Typ verbleibt uns noch der ideale Zuschauer. Er steht mit beiden Beinen um Leben, er weiß, daß alles natürlich zugeht, daß keine ‚Zauberei‘ im Spiele ist. Trotzdem ist er aufmerksam und freut sich über jeden gelungenen Trick, schließlich will er sich unterhalten lassen. In der Masse fällt er am wenigsten auf, höchstens dadurch, daß er am meisten applaudiert.“

(Zmeck, Jochen: Wunderwelt Magie. Berlin: Henschelverlag 1981. S. 98)

 

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