Category Archives: Buch und Bücherei

Buch und Bücherei Voraussetzungen des Erfolgs

Zu Amazon

Oder eben mal nicht zu Amazon. Und wie ging dieser Witz, der so endet: Zu Aldi. Was, schon zu?

Also, ganz ohne Pointengespür, man muss nicht bei Amazon kaufen, und wenngleich Thomas Wagner hier gerade betont, man solle als Ausweg aus dem Amazon-Dilemma den Menschen nun nicht nur als Konsumenten sehen, sondern ihn auffordern, sich in Buchhandlungen vor Ort zu engagieren, diese also gewissermaßen als Orte des persönlichen und gesellschaftlichen Interesses betrachten, muss auch der Konsument betrachtet werden. Und diesem muss klar gesagt werden, dass er auch woanders Bücher bestellen kann. Erstens kann er jede Buchhandlung anrufen und sie bestellt ihm alles (fast) bis zum nächsten Tag. Zweitens kann er zu jpc oder kohlibri. Um nur zwei Beispiele zu nennen.

Man nimmt dafür zuweilen Wege in Kauf, man nimmt in Kauf, manchmal (bei fremdsprachigen Büchern oder CDs) mehr zu bezahlen.

Man muss sein Gewissen trainieren. Man darf nicht nachgiebig sein. Klicken ist eine Handlung, die für markante Resultate sorgt. Klicken kann Riesen machen. Man muss nicht boykottieren, aber man darf boykottieren. Man könnte erst dann bei Amazon kaufen, wenn es wirklich nicht anders geht. Meistens geht es anders. Man kann auch verzichten. Es ist nicht das relevanteste Wissen, jenes Wissen darum, dass es ein Produkt erstens gibt, zweitens doch gibt, drittens in der Wunschfarbe, viertens in der passenden Größe, fünftens zum Schnäppchenpreis, sechstens ohne die maulende Verkäuferin. Man kann sich sagen: Das weiß ich nun, aber: Danke, nein. Man muss den wirklichen Preis kennen. Man kann klüger kaufen. Mal hier, mal dort. Man muss mit maulenden Menschen nicht immer, aber könnte mit ihnen ins Gespräch kommen. Ich bin dafür, die Angestellten zu fragen, wie zufrieden sie mit ihrem Arbeitgeber sind. Man sollte versuchen, dort zu kaufen, wo zufriedene, wenigstens nicht vom Arbeitgeber im Unglück und Knebelung gehaltene Angestellte arbeiten. Man sollte dort kaufen, wo freie Menschen arbeiten. Das gilt für Bücher, gilt für alles. Man kann und muss sich erziehen.

Buch und Bücherei

Geschäfte vor dem Mond

Hier, offensichtlich hinter dem Mond, erfahre ich erst heute, dass Amazon ZVAB gekauft hat, was mir doch recht betrüblich vorkommt, weil nun erstens die Alternativen beim antiquarischen Buchkauf im Internet weiter schwinden, und zweitens, weil ich einen Satz in meinem aktuellen Manuskript streichen muss, der mir gut gefiel. Diesen: „Wenn es nicht anders ging, kaufte sie weiterhin bei Amazon ein. Sie rechnete jeden Tag mit einer Mitteilung von ZVAB, dass ZVAB nun aufhöre, sie verlas sich auch, las im Betreff einer E-Mail Finaler Gruß aus dem Antiquariat und nicht Floraler Gruß aus dem Antiquariat…“ Oder doch nicht streichen? Nun, das kann zu gegebener Zeit entschieden werden. Aufschub duldet aber nicht die Abschaffung der Generosität gegenüber dem Interpretationsspielraum der eigenen Prinzipien, die Hannes Hintermeier in der FAZ am 8. Februar so beschrieb: „So sprach neulich ein bekannter Sachbuchautor, der lieber nicht genannt werden will: Er hasse Amazon, wirklich aufrichtig und mit allem Nachdruck. Man müsse sich mit aller Gewalt gegen diesen Monopolisten stemmen. Freilich, wenn er ein Buch wolle, sage er einfach seiner Frau Bescheid und die bestelle es für ihn – bei Amazon.“

Und wenngleich es unglaublich erscheint, gibt es ja alle Nase lang Leute, die dermaßen in Prinzipienhoheit stolzieren und ihnen wächst nie eine Lügennase, und kein Zweifel kratzt sie.

Jedenfalls ist die Vorherrschaft Amazons mittlerweile nicht mehr kleinzureden, aber ich trage auch zu dieser Vorherrschaft bei und will manchmal den Buchhändlern oder Antiquaren vor Ort nicht begegnen oder kann ihnen dann, wenn ich ihnen begegnen könnte, nicht begegnen. Interessant zu Amazon auch Roland Preuß‘ heutiger Artikel in der FAZ: „Nicht ohne Ironie ist, dass die älteste deutsche Universitätsbibliothek, die Heidelberger, ihren Online-Katalog mit Amazon-Bildchen schmückt, die die Studenten, ohne dass sie eigens darauf hingewiesen würden, bei Klick direkt auf die Seite des Luxemburger Steuerumgehungskonzerns lenken, wo sie neuerdings vom ‚Amazon Student‘-Dienst ‚abgeholt‘ werden.“ (13. Februar 2013, Feuilleton, S. 25) Das darf so nicht sein.

Natürlich geht es Amazon nicht ums Lesen, es geht Amazon nur um den Anfang und die ewige Wiederholung dieses Experiments, Bücher eben an Regentagen kaufen zu können, ohne dafür das Haus verlassen zu müssen. Dazu um andere Experimente am Menschen, aber eben nicht ums Lesen. Sagt mir mein Verstand, der, anders als der bekannte Sachbuchautor von oben – genannt werden will.

Buch und Bücherei

Lesen mit und ohne Platz

 

 

 

 

 
 

Ich habe gestern ein Buch von Christoph Hein gekauft, hauptsächlich, weil es voller Randnotizen ist. Ich lese, was da an den Rand geschrieben wurde, lese dann Heins Text und prüfe, wie eines zum anderen passt und überlege, wer da wohl geschrieben hat und mache mir ein kleines Bild von dieser Person, die es übrigens in der Mitte des Buches aufgab, sich weiterhin Notizen zu machen. Ob sie auch aufhörte zu lesen? (Man muss ja Bücher nicht auslesen.)

Schön ist es jedenfalls, wenn man sich überhaupt am Rand Notizen machen kann, wichtig ist es, weshalb ich über eines meiner Lieblingsbücher (Ahrendt, Vita activa) ja doch immer ein wenig schimpfe. Was muss es auch so dicht und fast bis an die Seitengrenze bedruckt sein:

Bei Reclam-Heften sieht es nicht besser aus, weshalb ich, im Anmerkungs- und sicherlich auch Memorierungswahn, bei Schillers „Über naive und sentimentalische Dichtung“ dazu überging, schließlich fast alles auf kleine Notizzettel zu übertragen und diese aneinandergeheftet ins Buch zu kleben. Das hielt ich immerhin bis S. 41 durch. Ab S. 42 unterstrich ich und schrieb wenig an den Rand, viel ging ja nicht. Ab S. 80 finden sich keine Unterstreichungen, Zettel oder Anmerkungen mehr, was wohl bedeutet, dass ich das Buch nicht ausgelesen habe. Tja.

Jedenfalls denke ich an einen Abend in meiner kalten Studentenwohnung, mit mir zwei Kommilitonen, die sich in den Hölderlinturm wünschten und die Freundin C, die derlei Weltfremdheit nicht verstand, die diesem Wunsch nach Ideal und Zurückgezogenheit und eben Distanz zur Welt nicht guthieß, und ich, beides verstehend, beides wollend. Turm und Leben.

Dazu CW in Stadt der Engel, S. 367: „Da wurde mir bewusst, erinnere ich mich, dass ich gerne in meiner Zeit lebte und mir keine andere Zeit für mein Leben wünschen konnte.[…] Vielleicht sind die Explosionen in den Magistralen des Kapitals Zeichen von Endzeit, Jedenfalls für unsere abendländische Kultur, aber ich genieße die Annehmlichkeiten dieser Kultur, wie fast alle es tun.“

 

Buch und Bücherei Vom Verlassen der Welt

Satzdarsteller

 

 

 

 

 

 

 

Seit Tagen schiebe ich es schon auf, will Stadt der Engel nicht beenden, damit es dann nicht ausgelesen ist, sondern will einfach weiterlesen und weiter und weiter. Und es wäre in diesem Fall schön, führte das Lesen nicht dazu, dass das Buch ausgelesen werden könnte, zumindest für den Moment wäre das schön. Ich ginge mit diesem Buch gern durch das Jahr, und grundsätzlich bleibt der Tod, an den ich beim Lesen und sowieso denken musste, bleibt jeder Tod unvorstellbar und unmöglich, und links von mir steht ein anderes Christa Wolf-Buch, es heißt „Fortgesetzter Versuch“, womit alles gesagt ist, was man zum Leben sagen kann.

Und natürlich ist das ein Satz, der nicht stimmen kann: Hiermit ist alles gesagt.

Der Satz ist die Kleidung eines römischen Legionärs.

Der Satz ist jener als römischer Legionär verkleidete Mann der Gegenwart, der vor dem Pantheon stand (in festem Schuhwerk, um der Kälte zu trotzen), dem weinrote Federn vom Helm fielen, der mit seinem Kollegen plauderte und die Passanten fragte, ob sie ein Foto mit ihm machen wollten, zwei silberne Kronen in der rechten Hand schwenkend, das Gespräch mit dem Kollegen nicht unterbrechend.

 

Und ich bin versucht zu sagen: Hier sind lauter Ich-weiß-nicht-was versteckt: Finde die Stellen!

 

Buch und Bücherei Der Tod und sein Rädchen

filed under Kreuz

Und die schlimmen Dinge kommen daher wie Witze, weshalb man lachen muss, oder ich muss lachen, oder es ist der dringende Wunsch: lieber lachen als weinen wollen. Oder wie ist es.

Ich kann mich, weil mir der Zugang zu vielen Erinnerungen versperrt ist, weil ich ihn selbst versperrt habe, ohne dafür besondere Gründe nennen zu können – lediglich Zeitmangel, alle Zeit wird von den Kindern gegessen, die ja nicht hungern wollen und sollen, aber doch schon dicke Backen haben, vor allem F (1), der an Dickbackigkeit kaum zu übertreffen ist – jedoch an nichts Schlimmes erinnern. Nichts fühlt sich schlimm an, alles fühlt sich so an, als hätte sich nichts je schlimm angefühlt. Ich muss eine andere geworden sein.

Jedenfalls sind wir auf dem Berg: Casa Baldi, Olevano Romano, und ich fand im Schrank diesen Hefter, ordentlich mit Etiketten und Schreibmaschinenschrift gekennzeichnet, drinnen Kinderbilder von irgendwelchen anderen Stipendiatenkindern. Der Ordner so ein Stipendiatenhausrelikt, irgendein Rest, weil hier überall Reste sind (Nähgarn, fast leere Klebefilmrollen, ausgedruckte Brigitte-Rezepte, ausgedruckte Gedichte von einem Vorstipendiaten), aber der Ordner ist mit einem dicken Edding-Kreuz markiert, und ich fragte mich, nachdem ich vor ein paar Tagen mit K zum Friedhof spaziert war, wer dieses Kreuz aufgemalt hatte, wie es aufgemalt wurde, wie man so ein dickes Edding-Kreuz also malt, und wie man sich dabei fühlt.

Man kann ja einfach ein schwarzes Edding-Kreuz malen. Ich denke, ein Kind hat das Kreuz gemalt, das ist das Kreuz einer Kinderhand oder einer Hand, die für das Kreuz zum ersten Mal einen Edding in die Hand nahm.

Man kann deuten und nicht deuten. Entweder man will deuten oder man will nicht deuten. Derzeit deute ich nicht gern, aber ich könnte. Jedenfalls las ich „Das Begräbnis“ von Wolfdietrich Schnurre, und der Text funktioniert wie ein Witz, aber ist kein Witz oder ein makabrer. Man könnte also alle Zeit auf die Pointe warten, aber die kommt nicht, da quietscht nur eine Tür am Ende und der hinkende Pfarrer tritt auf oder ab.

Und hier treten auf der Sturm und die Arbeit, die zu tun ist.

 

 

 

 

 

 

Allgemein Buch und Bücherei

Press: Nicht mögen, weil und oder schließlich eventuell in Betracht ziehen also nicht nur nicht mögen, sondern das Mögen nicht mögen und so weiter

vielmehr: Nicht gemocht werden. Also, wo die Reise hingeht: Nicht immerzu gemocht werden wollen. Bei genauer Betrachtung will ich immerzu gemocht werden, was fürchterlich langweilig ist und abgeschafft gehört. Alberne Harmoniesucht.

Mehr dazu hier.

 

Das hier ist übrigens ein neuer Like-Button. Er sagt, dass mir das, womit er verlinkt ist, gefällt. Oder zu gefallen scheint, denn ich griff nur zu, um etwas zum Verlinken zu haben und kenne den Inhalt des Links noch gar nicht genau. Er, also das Video Shirtology, scheint mir zu gefallen. Jedenfalls ist es gut, dass jemand liest, was auf den Shirts steht, was ich immerzu tue und irgendwann an einer Überflutung aus Zahlen und Dekotext ersticken werde. Augenerstickung. Dies ist ein Ich-habe-etwas-gesehen-und-scheine-es-zu-mögen-Button-ein-Beweis-Button-von-Bewegung-im-Netz-Button.

Es ist auch ein Das-Video-ist-etwas-albern-Button.

Jedenfalls plädiere ich für aussagekräftigere Buttons. Hiermit.

 

 

Buch und Bücherei

Dietmar Dath ist frech

Link zum Edelopfer

Allgemein Buch und Bücherei

Fundstücke

Beim Wühlen in den Büchern meiner Kindheit fand ich eine Karte, die mir gerade sehr wollkommen ist:

Es handelt sich vermutlich um eine Bescheinigung, die ich für meine Mutter geschrieben haben muss: 100 Wochen frei. Das Gekrakel muss bedeuten: Hiermit gewähre ich Ihnen, Frau Rita Geißler …. damit Sie sich dringend erholen können.

Unbedingt vollständig frei nehmen! Hintereinander weg!

 

Jedenfalls lese ich die Karte heute wie eine Karte an mich, wie eine Bescheinigung für mich, und ich bin verknallt in den Stempel: Kindersparkasse, dort will ich mein Konto haben. Mein Kindermillionensonntagsallzeitreichtumskonto (in echt).

Buch und Bücherei

ICH – dann eine Weile nichts

Volker Harry Altwasser hat ein Buch geschrieben, einen Theaterroman: Ich, dann eine Weile nichts. Ein Buch über Bogislaws XIV, den letzten Herzog von Pommern.

Der Titel ist nicht neu, aber auch nicht so alt wie der Herzog, um den es bei Altwaser geht: Ein früheres Lieblingsbuch von mir heißt genauso, handelt jedoch von Bärbel Fielow: „Bärbel Fielow ist ein eigenwilliges Mädchen. Sie wird mit Ereignissen konfrontiert, die wichtige Probleme zwischenmenschlicher Beziehungen berühren. Ihr komplizierter Charakter – hilfsbereit und egozentrisch zugleich – macht es ihr nicht leicht, damit fertig zu werden.“ (Aha!) Zitat vom hinteren Buchdeckel. Geschrieben hat es Hans-Ulrich Lüdemann. Das ist ein Buch über mich. Das war immer mein Buch über mich. Es ist, das kann man lesen, ein „Mädchenbuch für Jungen“. (So etwas gibt es heute gar nicht mehr! Stimmt das? Aber ja! Denken an: Kinderüberraschung für Mädchen und Bücher für Leseanfänger, für männliche Leseanfänger.) (Lüdemann, Hans-Ulrich: ICH – dann eine Weile nichts. Berlin: Der Kinderbuchverlag Berlin 1976).

 

 

Einen Theaterroman habe ich übrigens auch schon geschrieben, aber kein Verlag wollte ihn kaufen. Betrüblich! Seltsam! Auch egal!

 

 

 

Buch und Bücherei

Lieblingssatz

„Because they were poets, they thought a lot about how they were glad they did not write novels.“

Juliana Spahr. The Transformation. S. 104